Der Fall Kavanaugh – Welche Rolle spielt noch die Wahrheit?

Vor knapp einem Monat schlug US-Präsident Donald Trump den Bundesrichter Brett Kavanaugh als Nachfolger des verstorbenen Antonin Scalia für einen Platz im Supreme Court, dem obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, vor. Am 16.9. wurde bekannt, dass Kavanaugh, der zuvor schon politisch unter Beschuss geraten war, von Christine Blasey Ford der versuchten Vergewaltigung beschuldigt wird.

1982 soll der damals 17-Jährige die damals 15-Jährige junge Frau sexuell bedrängt haben. Der Jurist streitet diesen Vorwurf vehement ab. Dies war aber längst noch nicht das Ende der Vorwürfe gegen Kavanaugh, denn in den folgenden Wochen erhoben vier weitere Frauen den Vorwurf des sexuellen Übergriffes gegen den heute 53-Jährigen. Derzeit ermittelt das FBI.

Politisches Kalkül vs. „Me too“

Typisch für die derzeitige Situation in der US-Politik ist die Tatsache, das längst nicht mehr über die fachliche Qualifikation des Kandidaten Kavanaugh diskutiert wird, sondern nur darüber, wer lügt: Lügt Kavanaugh, um das Nominierungsverfahren zu durchstehen und sich die Ernennung zum Richter am Supreme Court auf Lebenszeit zu sichern? Oder geht es den Frauen nur um Aufmerksamkeit oder politische Agitation?

Kein Wunder also, dass sich die Angelegenheit exemplarisch in eine Schlammschlacht zwischen Verteidigern Kavanaughs und der Seite von Blasey Ford entwickelt hat, die vor dem Senat angehört wurde und dabei von Republikanern stark diskreditiert wurde. Auch Donald Trump hat Ford öffentlich verhöhnt. Der Grund ist klar: Setzt er seinen Kandidaten durch, wird der oberste Gerichtshof über Jahrzehnte hinweg konservativ geprägt sein.

Durchsetzen um jeden Preis

Ein Präsident, der mutmaßliche Vergewaltigungsopfer in aller Öffentlichkeit verhöhnt – vor Jahren undenkbar, heute überrascht dies kaum noch. Ein Bundesrichter, der den Aussagen zahlreicher Kommilitonen aus seiner Studienzeit zumindest widerspricht, was seine Trinkgewohnheiten in der Vergangenheit angeht. Diese ehemaligen Kommilitonen geben an, Kavanaugh sei exzessiver Trinker gewesen. Dass dieser sagt, er hätte nie einen Fimriss gehabt, ist für sie unvorstellbar.

Dass es Kavanaugh trotzdem bis ins Nominierungsverfahren geschafft hat, sagt viel aus. Trumps Aussage angesichts des beschriebenen Konflikts, junge Männer lebten in einer beängstigenden Zeit, malen kein gutes Bild von der Stellung der Frau in der aktuellen US-Politik. Der Feminismus, vielleicht sogar die Wahrheit über Blasey Ford sind momentan nebensächlich, denn es geht nur um den politischen Erfolg – koste es, was es wolle.